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Exkursionsrückblick
Kostbare Frühlingsgeophyten im Aargau

vom Samstag 25.03.2023
unter der Leitung von Hanna Vydrzel

Der Rütiberg ist ein vielseitiger Rebberg

Eine der Aufgaben von Hanna Vydrzel, Projektmitarbeiterin bei Agrofutura, ist die Förderung der einheimischen Rebbergflora. Diese hängt eng mit der Bewirtschaftungsart zusammen. In den Reben auf dem Rütiberg, er liegt in den Gemeinden Remigen und Rüfenach, ist ein Innovationsgeist der Winzerinnen und Winzer und die Wertschätzung der Natur spür- und sichtbar. Nicht jede Rebenparzelle ist gleich bewirtschaftet. Traditionell werden hier die Reben im Direktzug gehalten, wo die Rebreihen parallel zur Hangneigung verlaufen. Es hat aber auch terrassierte Rebberge mit Rebreihen quer zur Hangneigung oder es gibt auch ein modernisiertes Pergolasystem, wo der Unterwuchs durch zweimalige Beweidung einer kleinen Schafrasse unter Kontrolle gehalten wird. Das Potenzial für die Rebbergflora liegt beim Direktzug in den Gassen, bei der Terrasse eher an den exponierten Dämmen der aufgeschütteten Erde.

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Und die Reben?

Über diese sprach die Familie Schwarz vom Zelglihof anlässlich ihres schön zubereiteten Schlussapéros in ihrem Rebhüsli. Gerne und interessiert hörten wir zu. Ihre Reben gedeihen alle auf kalkhaltigem Grund. Sie bauen fünf Rebensorten an. Die Sorte 'Blauburgunder' nimmt mit 60% den grössten Teil ihrer Rebfläche ein. Aber auch die traditionelle Weissweinsorte 'RieslingXSilvaner' (neu heisst die Sorte 'Müller-Thurgau') oder die auf Pilze widerstandsfähige "PIWI"-Weissweinsorte 'Solaris' gedeihen auf ihren Parzellen. Nebst dem Rütiberg hat die Familie Schwarz auch Reben unterhalb der Gisliflue. Unterschiedliche Standorte sind günstig, da so das Hagelrisiko verteilt ist. Nebst dem Rebbau haben sie noch Mutterkühe und betreiben Ackerbau mit Saatgetreideproduktion.

Die Bedrohung und Förderung der Rebbergflora

Zur Vermeidung von Wasser- und Nährstoffkonkurrenz durch die Beikräuter wurden die Rebgassen traditionell gehackt. Dies förderte zwar die Zwiebelpflanzen* aber auch die Bodenerosion. Um die Qualität des Rebbergs beizubehalten, wurde der Boden jeweils mühselig wieder zurück in den Rebberg getragen. So wundert es nicht, dass sich in den letzten dreissig Jahren eine durchgängige Bodenbedeckung mit schnitttoleranten Arten etablierten hat. Das Schnittgut wird dabei in der Regel als Mulch liegen gelassen. Eine geschlossene Krautdecke ist aber ungünstig für Zwiebelpflanzen. Zu deren Förderung muss demnach der Boden wieder offen liegen. So wird dieser etwa in jeder zweiten Rebgasse im Sommer oder nach der Weinlese geöffnet. Dazu braucht es ein spezielles Gerät mit Seilwinde. Auch darf das Schnittholz der Reben in den Reihen zur Förderung der Rebbergflora nicht liegen bleiben. Mulchen ist erst wieder ab Ende Mai erlaubt, wenn die Geophyten ihre Nährstoffe aus den Blättern ins unterirdische Speicherorgan verlagert haben und allfällige Samen gebildet und verbreitet werden konnten.

 

Die Rebbergflora wird nicht nur im Kanton Aargau gefördert, sondern auch in anderen Rebbaukantonen der Schweiz. Dies gelingt nur mit einer guten Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Interessengruppen. Am Rütiberg wird anschaulich wie eng die Nahrungsmittelproduktion mit der Biodiversität verzahnt ist. Dank gegenseitigem Zuhören und Realitätssinn entwickeln sich Verständnis und machbare Wege zur Förderung von bedrohten Arten.

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Herzlichen Dank an Hanna für diese eindrückliche Exkursion!

*) Zwiebelpflanzen, die auf dem Rütiberg vorkommen:

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Weinberg-Traubenhyazinthe (Muscari neglectum aggr.)

Dazu existieren zwei Unterarten namens Weinberg-Traubenhyazinthe (Muscari neglectum Guss.) und Gemeine Traubenhyazinthe (Muscari racemosum (L.) Mill.), welche zu unterscheiden nach heutigen Erkenntnissen keinen Sinn mehr mache, siehe Flora CH, Nr. 16, Seite 10. Sie hat eine dunkelblau bereifte Blüte mit Pflaumenduft.

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Aktuelle Fundmeldungen im Aargau: 85, von 1942 2023, zerstreut übers ganz Kantonsgebiet.

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Kleine Traubenhyazinthe (Muscari botryoides (L.) Mill.)

Die Art hat im Vergleich zur Weinberg-Traubenhyazinthe breit lanzettliche Blätter und Ihre Fruchte ist vorne nicht eingesenkt. Sie ist deutlich seltener.

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Aktuelle Fundmeldungen im Aargau: 4, von 1999 bis 2017, zerstreut übers ganze Kantonsgebiet.

IMG_20200313_160212 Muscari botryoides Aspargaceae Muscari botryoides (L.) Mill. Schmitten

Armenische Traubenhyazinthe (Muscari armeniacum Baker)

Diese Art ist ein Neophyt und eine sehr häufige Zierpflanzen in unseren Gärten. Sie kommt auch in freier Wildbahn vor und könnte auch häufig mit der Weinberg-Traubenhyazinthe verwechselt worden sein. Ihre Blüte hat im Vergleich zu dieser ein helleres Blau, nicht bereift und duftet nach Veilchen.

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Aktuelle Fundmeldungen im Aargau: keine

(Verwechslung mit der Weinberg-Traubenhyazinthe? Keine Meldung, da Zierpflanze?)

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Schopfige Traubenhyazinthe (Muscari comosum (L.) Mill.)

Diese Art unterscheidet sich deutlich von den anderen Traubenhyazinthen. Sie ist höher gewachsen und ihr auffälliger Blütenstand hat an der Spitze einen Schopf lang gestielter violetter, steriler Blüten. Die darunter liegenden fertilen Blüten sind grün- bis graubraun.

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Aktuelle Fundmeldungen im Aargau: 11, von 1993 bis 2021, zerstreut übers ganze Kantonsgebiet.

Schopfige Traubenhyazinthe_2461_FA50614.jpg

Weinberg-Lauch (Allium vineale L.)

Der Blütenstand besteht meist nur aus Brutzwiebeln. Allfällige Blüten würden diese überragen. Das Hüllblatt überragt den Blütenstand. Seine Blätter sind röhrig, oberseits mit einer Rinne.

Aktuelle Fundmeldungen im Aargau: 98, von 1970 bis 2022, zerstreut übers ganze Kantonsgebiet.

Ross-Lauch (Allium oleraceum L.)

Der Blütenstand ist meist locker und enthält sowohl Blüten als auch Brutzwiebeln. Die Blüten haben ungleiche, 2-4 mal so lange Blütenstiele wie die Blüten. Die Blätter sind nicht röhrig, 2-4 mm breit, lineal, flach oder rinnig.

Aktuelle Fundmeldungen im Aargau: 50, von 1990 bis 2023, zerstreut übers ganze Kantonsgebiet.

Beide Arten breiten sich auch in den Gärten gut aus. Der Ross-Lauch könnte sogar noch besser als der üblich Schnittlauch (Allium schoenoprasum L.) als Küchenkraut dienen, da seine Blätter weniger hohl und saftiger sind.

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Doldiger Milchstern (Ornithogalum umbellatum aggr.)

Der Doldige Milchstern ist nicht nur blühend gut zu erkennen sondern auch vegetativ mit seinen grundständigen, linealen, fleischigen Blätter, die sich durch einen weissen Mittelstreifen auszeichnen. Er ist als Aggregat definiert, zu dem 3 Arten zählen.

Doldiger Milchstern (Ornithogalum umbellatum L.)

Blätter 2-6 mm breit, Blütenstand mit mehreren bis zu 15 Einzelblüten. Die Blüte hat sechs gleichmässig grosse Perigonblätter.

Gussones Milchstern (Ornithogalum gussonei Ten.)
Bätter 1-2 mm breit, Blütenstand mit 1 bis 5 Blüten.  1-5 blütig. bis zu 15 Einzelblüten. Die inneren Perigonblätter der Blüte sind ewta halb so breit und kürzer wie die äusseren. Zudem ist die Fruchtkapsel vorne eingesenkt.

Spreizender Milchstern (Ornithogalum divergens Boreau)

Eine Zusammenstellung der Merkmale zu dieser Art scheint in den gängigen Referenzwerken noch nicht vorhanden zu sein. Gemäss Infoflora gilt er als neu in die Artenliste aufgenommener Neophyt.

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Aktuelle Fundmeldungen der Milchsterne im Aargau: 126, von 1942 bis 2023, zerstreut übers ganze Kantonsgebiet. Alle wurden unter Ornithogalum umbellatum L. oder Ornithogalum umbellatum aggr. gemeldet.

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Doldiger Milchsterin (O. umbellatum L.) (Bild links) und Gussones Milchstern (O. gussonei Ten.) (Bild rechts) unterscheiden sich durch die Anzahl und Gleichförmigkeit der sechs weissen Perigonblätter.

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Wald-Gelbstern (Gagea lutea (L.) Ker Gawl.)

Die Art ist 10-25 cm hoch und hat meist ein einziges grundständiges Blatt. Es ist breit (5-15 mm), lineal, flach und endet in einer kapuzenförmigen Spitze. Die Hochblätter am Stängel überragen die Blüte nicht und sind schmäler als das Hauptblatt.

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Aktuelle Fundmeldungen im Aargau: 25, von 1972 bis 2020, zerstreut im ganzen Kantonsgebiet.

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Wiesen-Gelbstern (Gagea pratensis (Pers.) Dumort.

Die Art ist 10-15 cm hoch und hat ein einziges grundständiges Blatt. Es ist nur 4-6 mm breit, schmal-lineal und allmählich in die Spitze verschmälert, aber nicht kapuzenförmig. Es ist höchstens so breit wie das unterste Hochblatt. Die Hochblätter am Stängel überragen die Blüte.

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Aktuelle Fundmeldungen im Aargau: 328, von 1999 bis 2023 an 4 Standorten im nordöstlichen Aargau. Der Wiesen-Gelbstern wird überwacht im Rahmen des Monitorings von seltenen gefährdeten Pflanzen im Aargau.

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Bilder: diverse Autoren ab www.infoflora.ch und Gertrud Burger

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