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Exkursionsrückblick
Nätteberg/Hesseberg "Toscana des Nordens"

vom Samstag 01.06.2024
unter der Leitung von Benno Zimmermann

Reichhaltige Einblicke

Das auf verschiedenen Ebenen höchst spannende Exkursionsgebiet war für unseren Exkursionsleiter Benno Zimmerman genau die richtige Kulisse, um sein reichhaltiges Wissen mit uns zu teilen. Schnell erkannten wir, dass seine Beobachtungsgabe weit mehr als die Pflanzenwelt umfasste. Und so wurden wir durch ihn immer wieder von einem möglichen «Pflanzen-Tunnelblick» befreit, indem er uns durch Hinweise auf die Tierwelt oder auf Pilze abholte oder der Bogen auch zur «geistreichen» Kulinarik spannte. Trotzdem gelang es uns noch, das FlorApp mit 48 Beobachtungen zu besonderen Pflanzen im Gebiet zu füttern.

Dank Privatinitiative zum ersten aargauischen Naturschutzgebiet

«Nätteberg», «Hesseberg» und «Ruge» liegen in den Gemeinden Effingen und Bözen und sind die ersten Naturschutzgebiete im Kanton Aargau. Sie sind heute im Eigentum von Pro Natura Aargau. Einst kaufte eine Privatperson Flächen im Gebiet, um sie vor drohendem Qualitätsverlust als Lebensraum für unsere Tier- und Pflanzenwelt zu bewahren. Später wurden diese Pro Natura Aargau vermacht. Heute umfasst das Naturschutzgebiet gut 590 Aren und beherbergt eine Vielzahl an Lebensräumen wie lichte Föhrenwälder, Magerwiesen, Niederhecken und sonstige Gehölze. Seine Trockenwiesen und -weiden sind von nationaler Bedeutung.

Artenreichtum dank jahrhundertelanger Übernutzung

Bis vor etwa einhundert Jahren gab es im Mittelland und Jura Rebbau an nahezu jedem halbwegs dazu geeigneten Hang. Denn vergärter Traubensaft konnte im Gegensatz zu Wasser ohne Bedenken getrunken werden. Die damalige Wasserversorgung konnte eben noch keine Keimfreiheit garantieren. So waren die Hänge oberhalb der Dörfer Effingen und Bözen auch mit Reben bestockt. Da der Boden hier aber sehr flachgründig ist, wurde der vorhandene Mergel auf den Plateaus abgebaut und in den Hängen als vermeintlicher Dünger eingesetzt. Dies führte aber eher zur Auslaugung des Bodens anstelle die Nährstoffverfügbarkeit zu verbessern. Durch die Mergelverschiebung des Menschen entstand also auf den Plateaus ein extrem karger Untergrund. Und auch die Abhänge blieben nährstoffarm. So führte die Nutzung im Gebiet  zur Ausmagerung der Böden und legte damit den Grundstein zum Artenreichtum im Gebiet.

Orchideen und weitere Trouvaillen

Es blühte noch reichlich, so dass an der Exkursion ein paar Bilder von Orchideen und weiteren floristischen Besonderheiten zusammen kamen. Ein paar Eindrücke aus der "Toscana des Nordens" sind hier zusammengestellt.

Qualität erhalten und verbessern durch differenzierte Pflege

Die Magerwiesen an den Südhängen sind an örtliche Landwirte verpachtet, welche diese gemäss vorgegebenem Schnittregime  bewirtschaften. Der Zeitpunkt der Mahd im lichten Föhrenwald richtet sich nach den späterblühenden Orchideen und Enzianen. Der Schnitt erfolgt deshalb erst im Herbst. Zu dichte und aufgelichtete Waldstücke werden seit 2016 kontrolliert durch Ziegen beweidet. Diese kantonal bewilligte Waldweide fördert die Entwicklung zu einem lichten Wald.

Herzlichen Dank an Benno Zimmermann für diesen lehrreichen und schönen Nachmittag in der «Toscana des Nordens». Und für den köstlichen Schlorzifladen aus der Backstube seiner Frau inkl. Getränk aus Bennos selbstgetöpferten Bechern.  Perfektion auf allen Ebenen - tausend Dank!

Rosa, lila bis dunkelpurpurne Orchideen
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Im Gebiet gedeihen auch die drei wohl im Aargau am besten bekannten und noch verbreitetsten Orchideenarten. Sie fallen durch ihre attraktiven rosa, lila bis hin zu purpurn oder sogar dunkelpurpurnen Blüten auf. Die Spitzorchis (Anacamptis pyramidalis (L.) Rich.) blendete einen beinahe durch ihr intensives Dunkelrosa im Bestand. Krabbenspinnen liessen sich beim genaueren Hinsehen auf Fuchs' Gefleckter Fingerwurz (Dactylorhiza maculata subsp. fuchsii (Druce) Hyl.) durch das gesprenkelte Rosa-Lila einlullen. Und die Langspornige Handwurz (Gymnadenia conopsea (L.) R. Br.) streckte ihre kräftigen Blütentriebe majestätsich dem Sonnenlicht entgegen.

Die blassen Orchideen haben es in sich
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Die Nestwurz (Neottia nidus-avis (L.) Rich.) schmarotzt heimlich auf Wurzeln von Nadelhölzern. Dies ermöglicht es ihr ohne Chorophyll auszukommen. Die Bocks-Riemenzunge (Himantoglossum hircinum (L.) Speng.) ist stattlich. Und wenn sie zu wenig Aufmerksamkeit erhält, dann könnte sie sich zur Not noch mit ihrem Ziegenbocksgeruch in unserer Nase bemerkbar machen. Die Art ist ein Geophyt und bildet grosse, länglich-ovale Knollen als Überdauerungsorgane. Sie ist in wärmeren Gebieten Mitteleuropas heimisch und hat in den letzten Jahren eine Ausbreitung ihres Areals erfahren. Im Gebiet profitiert sie von den mageren, eher gegen Süden exponierten Standorten.

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Spektakuläre und doch irgendwie unscheinbare Orchideen
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Als ich zum ersten Mal im Leben eine Ragwurz sah, war ich überrascht wie unscheinbar sie ist. Ich erwartete ein dominantes Auftreten. Die Ragwurze haben für mich ohnehin etwas Rätselhaftes. Allein ihr Name. Gemäss wortbedeutung.info steht heutzutage der Begriff "Ragwurz" als Synonym für Mut oder Nacht. "Kerfstendel" ist ein weiterer Name der Pflanzengattung. Ich werde wieder fündig bei worbedeutung.info, wonach "Kerf" von "Kerbe", "Kerbtier" stammt, womit wir bei den Insekten sind. Das ist eher einleuchtend, locken doch die Pflanzen mit ihrem Aussehen Insekten zur Pseudokopulation an. Die Fliegen-Ragwurz (Ophrys insectifera L.) fällt durch ihre lange, rot- bis schwarzbraune Lippe auf mit dem mittigen blaugrauen Mal. Die Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera Huds.) ist sehr formenreich und hat oft rosa Perigonblätter. Im Gebiet gibt es auch noch die Kleine Spinnen-Ragwurz (Ophrys araneola Rchb.). Hier ohne Bild.

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Edle weisse Orchideen
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Zwei nahezu weiss blühende Orchideen kommen im Gebiet vor. Sie werden auch Waldhyazinthen genannt. Das weist auf ihren bevorzugten Lebenraum Wald hin. Die Arten sind aber auch in Riedwiesen, Quellfluren oder Flachmooren verbreitet, was mit dem wechselfeuchten Boden im Gebiet übereinstimmt. Der offizielle deutsche Gattungsname ist "Breitkölbchen". Der Artname gibt einen Hinweis auf die Blütenfarbe: Weisses Breitkölbchen (Platanthera bifolia (L.) Rich.) und Grünliches Breitkölbchen (Platanthera chlorantha (Custer) Rchb.). Beim Weissen stehen die Fächer der Staubbeutel parallel, beim Grünlichen spreizen diese nach unten. Das Bestimmen der beiden Arten ist manchmal nicht ganz einfach, weil sie gerne hybridisieren.

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Weitere Trouvaillen im Gebiet

Links unten beginnend im Urzeigersinn: Berg-Klee (Trifolium montanum L.), Gelbe Spargelerbse (Lotus maritimus L.), Sumpf-Kreuzblume (Polygala amarella Crantz), Färber-Ginster (Genista tinctoria L.) und Immenblatt (Melittis melissophyllum L.).

Bilder: Gertrud Burger

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